Gottfried Boehm, Bildbeschreibung. Über die Grenzen von Bild und Sprache, in: Ders./ Helmut Pfotenhauer (Hgg), Beschreibungskunst - Kunstbeschreibung. Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart, München 1995, S. 23-40.
"Die Geschichte der Moderne vermittelt uns ein Bewusstsein davon, daß die Grenzen zwischen Bild und Sprache einen ambivalenten Bezug repräsentieren - sie trennen und sie verbinden." (S. 24)
Die Frage nach der Sprache und ihren Möglichkeiten und Grenzen, die Problematisierung von Sprache also, ist deswegen grundlegend wichtig, da sie jeder unserer Tätigkeiten im Zusammenhang der Bildbetrachtung und -analyse zugrunde liegt. Boehm bezeichnet sie als "das Nadelöhr" der Arbeit des Wissenschaftlers. "Erst in der Sprache gewinnt der Wissenschafler eine Instanz, die zur Kontrolle und Kritik seiner Einsichten geeignet ist. Erst in ihrem Lichte läßt sich die erforderliche Präzision erzielen und eine Verständigung, die das Wahrscheinlich vom Inplausiblen zu unterscheiden vermag." (24)
Dabei sind die Worte von "Kontrolle und Kritik" von besonderer Bedeutung. Sie machen deutlich, dass "Deskription" (= Beschreibung) durchaus kein rein passiver, inaktiver Vorgang ist, der nur rezeptiv, also nachfolgend, reproduzierend, gleichsam kopierend und ohne eigene produktive Leistung ist. Im Vorgang der Beschreibung steckt stattdessen Kontrolle und Kritik, sie ist eine Form der Aneignung, die produktiv das Bild gewissermaßen nach-schafft und währenddessen jedes einzelne ins Auge gefasste Element kontrolliert. So wie die "Beschreibung einer Kurve" durch den Mathematiker keine nachträgliche Betrachtung und Erfassung, sondern vielmehr die "vorgänige Erzeugung eines geometrischen Gebildes" (24) ist, so kann man es im Grunde auch von der descriptio (= Ekphrasis) dessen sagen, der ein Bild beschreibt. Beschreiben heißt Hervorbringen. So spricht schon der französische Schriftsteller Denis Diderot (1713-1784) in seiner Enzyklopadie von 1754 anlässlich der Beschreibung (descriptio) als von einem "Handeln" (25), und er machte die literarische Bildbeschreibung in einer besonders subtilen Weise zu einem festen Bestandteil seines Salons (1759-81) - man könnte auch sagen: zu einem kultivierten Gesellschaftsspiel.
Dennoch bleibt immer "jene unbefriedigende Diskrepanz zwischen einem erkenntnisschwachen Beschreiben und einem phänomenfernen Erklären." (25) Mit ihr haben sich nicht zuletzt Philosophen beschäftigt,unter ihnen Edmund Husserl, der eine eigene "Kunst der Beschreibung" (Phänomenologie) entwickelt hat, die er selbst ein System "reiner" Beschreibung nannte. Damit geht er im Grunde wieder auf die antike Ekphrasis zurück, die von dem Bestreben geleitet wurde, mit Hilfe der Beschreibung zu einem "wirklichen Sachaufschluß" zu gelangen (26), auf ihrem Weg dem beschriebenen Phänomen also spürbar näher zu kommen. In der Beschreibung, so zeigen es auch die großen Kritiker der neuzeitlichen Naturwissenschaft, steckt "Erkenntniskraft" (26), eine Kultivierung der Beschreibung (Ekphrasis, descriptio) führt damit zu ihrer Stärkung.
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